Hans Nolte ist Co-Founder & CSO der besser zuhause GmbH und hat im März 2020 den 10-minute-pitch der .garage gewonnen. Da das schon seine vierte Gründung ist, kann man ihn getrost als „Serial Entrepreneur“ bezeichnen. Ende 2020 wurde die erste Finanzierungsrunde abgeschlossen und für uns ist das ein schöner Anlass, zu gratulieren und mal genauer nachzufragen, wie es gerade läuft und welche Tipps er für andere Entrepreneure hat.
Hans, zuerst noch einmal Glückwunsch zur erfolgreichen Finanzierungsrunde! So etwas findet in der Startup-Szene ja immer viel Beachtung und ist auch für uns ein schöner Anlass gewesen, nach einen Interview zu fragen. Sicher habt Ihr jede Menge zu tun, deshalb vielen Dank für Deine Zeit und die offenen Antworten! Legen wir los: Was ist Eure Geschäftsidee, wie seid Ihr darauf gekommen und wann seid Ihr gestartet?
Ältere Menschen möchten so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben und nicht in ein Pflegeheim. Wenn man sich die demografische Entwicklung in Deutschland für die nächsten 30 Jahre anschaut, ist das auch für uns als Gesellschaft eine große und wichtige Herausforderung. Schon bald wird jeder dritte Erwachsene bei uns über 70 Jahre alt sein. Die Geschäftsidee ist einerseits älteren Menschen, speziell Pflegebedürftigen, ein ganzheitliches Angebot zu machen, was ein langes und selbständiges Zuhause betrifft und gleichzeitig die Kosten und den Aufwand für unsere Kunden möglichst gering zu halten.
Gestartet sind wir im Sommer 2019 und wir sind darauf gekommen, weil wir alle auch in unserem persönlichen Umfeld gesehen haben, wie relevant das Thema „Umzug ins Pflegeheim vermeiden“ in Deutschland ist. Viele Angehörige sind mit der Organisation von Lösungen überfordert und kennen viele Möglichkeiten der Unterstützung auch nicht. Daraus ist die Grundidee für besser zuhause entstanden.
Was genau bietet Ihr wem an?
Wir schauen uns die häusliche Situation unserer Kunden an und machen Vorschläge für sinnvolle Verbesserungen. Unser Angebot umfasst dabei Umbauten wie z.B. den Tausch einer Badewanne gegen eine flache Dusche, Anbringung von Haltegriffen und Rampen, aber auch technische Hilfen wie Hausnotruf oder digitale Assistenzsysteme.
Gleichzeitig organisieren wir die Nutzung der zahlreichen bestehenden Zuschüsse und Förderungen. Jeder Pflegebedürftige bekommt z.B. von seiner Pflegekasse bis zu 4.000 € für solche Maßnahmen. Das bedeutet, dass in vielen Fällen unsere Kunden selber gar kein Geld in die Hand nehmen müssen. Auch dafür übernehmen wir alle Formalien und möchten unseren Kunden ein „Rundum-Sorglos-Paket“ anbieten.
Welche Geschäftsideen hast Du bereits zuvor umgesetzt?
Vor besser zuhause war ich ab 2012 einer der beiden Gründer der „PflegeBox“, einem StartUp, das ebenfalls im Homecare-Markt tätig ist – siehe www.pflegebox.de. Nach mehreren Finanzierungsrunden mit der IB Beteiligunsgesellschaft Berlin und weiteren Investoren hat sich das Unternehmen sehr positiv entwickelt und es gab für die Gründer Ende 2018 einen erfolgreichen Exit.
Wie war Dein beruflicher Weg vor der Selbstständigkeit?
Ursprünglich wollte ich in die Werbebranche und habe daher ein Studium der Kommunikationswirtschaft begonnen. Über ein Praktikum während des Studiums bin ich in der Sales-Abteilung des TV-Senders Eurosport gelandet, wurde dort relativ schnell Sales Director für den deutschen Markt, bin dann mit 26 Jahren in die Selbstständigkeit gewechselt und habe gemeinsam mit drei Partnern mein erstes StartUp gegründet.
Was waren bisher die größten Herausforderungen für Dich in der Selbstständigkeit?
Eine der größten Herausforderungen ist für mich das „richtige“ Gründerteam. Viele gründen mit alten Freunden, Studienkollegen oder Leuten, die ihnen fast zufällig über den Weg laufen. Wichtig ist aber, dass im Team die unterschiedlichen Skills, die es für einen erfolgreichen Aufbau der Company braucht, vorhanden sind. Und das nicht nur in der Anfangsphase, sondern auch, wenn das Unternehmen dann 20, 50 oder mehr Mitarbeiter hat. Zudem braucht es ein ähnliches Werte-Empfinden, um interne Konflikte zu vermeiden.
Ansonsten war es oft eine Herausforderung, dass in den ersten Jahren einerseits natürlich der erfolgreiche Aufbau des Unternehmens gelingen muss, gleichzeitig steht aber immer auch schon die nächste Finanzierungsrunde an, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt gebraucht wird. Das parallel zu managen ist oft nicht so einfach und eine echte Challenge.
Herausfordernd bei den Term Sheets und Beteiligungsverträgen sind die vielen juristischen Kleinigkeiten und speziellen Vereinbarungen, die speziell in der StartUp- und Seed-Phase verhandelt werden. Hier braucht man wirklich eine gute Beratung und das ist auch bei mir nicht immer optimal gelaufen.
Inwiefern war die Teilnahme beim 10-minute-pitch der .garage hilfreich?
Mit der PflegeBox war ich zuvor in Berlin tätig und der Auftritt beim Pitch-Event hat uns Bekanntheit verschafft und geholfen, uns im Hamburger StartUp-Ökosystem zu etablieren. Dort konnten wir nicht nur unsere Pitch-Performance verbessern, sondern auch interessante Kontakte knüpfen. Auch wenn ich selbst schon viel Startup-Erfahrung hab, ist es gut, einen erfahrenen Gründungsberater wie Frederic als Backup zu haben. Durch den ersten Platz beim Pitch hatten wir zwei Stunden Beratung gewonnen, die wir in Absprache mit Frederic an eine unserer Mitarbeiterinnen weitergegeben haben, die bald selbst gründen möchte. Dafür an dieser Stelle noch einmal vielen Dank!
Inwieweit betrifft Euch die Corona-Krise? Welche Maßnahmen habt Ihr ergriffen?
Zunächst waren wir sehr froh, dass uns trotz der Corona-Krise in 2020 die erste Finanzierungsrunde gelungen ist. Wir hatten am Scale-Nord-Programm von PwC teilgenommen, das auch wegen Corona hauptsächlich digital stattfand, aber darüber haben wir trotzdem unsere Investoren kennengelernt.
Im daily Business haben wir viel mit Unternehmen aus der Homecare-Branche zu tun, die aktuell zwar mehr oder weniger normal arbeiten, aber bezüglich des Aufbaus neuer Kooperation wie mit besser zuhause natürlich extrem zurückhaltend sind. Das behindert den Aufbau unseres Marketings schon sehr.
Ein weiteres Problem ist die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Wir bauen unser Team gerade auf, stellen aber gleichzeitig die Arbeit zum größten Teil auf Homeoffice um. Es gibt keine persönlichen Meetings und man kennt sich mehr oder weniger nur über den Bildschirm. Das macht das Onboarding extrem schwierig, teilweise auch unmöglich.
Was sind die wichtigsten Tools, mit denen Ihr arbeitet?
Wir setzen für unsere Workflows sehr unterschiedliche Tools ein, vor allem Microsoft dynamics, ClickUp für die Projektsteuerung, #TIL als Knowledge Management-System und Teams für die interne Kommunikation.
Was sind Eure aktuellen Pläne und was wünscht Du Dir für die Zukunft?
Aktuell steht vor allem der Aufbau von besser zuhause hier im norddeutschen Raum an. Und ich wünsche mir, dass es uns auch gelingt, ältere Menschen mit mehr digitalen Assistenzsystemen auszustatten. Gerade im Bereich Smarthome entstehen aktuell sehr viele neue Produkte und Services, die gerade für ältere Menschen extrem hilfreich sein können. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass der anstehende demografische Wandel mehr Beachtung in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion gewinnt. Da kommen sehr große Herausforderungen auf uns alle zu und wir sollten jetzt anfangen, uns stärker damit auseinanderzusetzen und zu planen. Das betrifft nicht nur die Selbständigkeit im eigenen Zuhause, sondern auch die weitere Teilhabe an der Gesellschaft und die Anbindung an das Wohnquartier, um Vereinsamung bei älteren Menschen zu vermeiden.
Was ist für Dich das Schönste an Deinem Job?
Das schönste an meinen Job ist eindeutig der positive Impact, den wir schaffen. Ein Beispiel: Wir haben Kontakt zu einer pflegebedürftigen Frau, die sich schon seit Jahren nicht mehr ohne fremde Hilfe waschen konnte, weil sie in Ihre Badewanne nicht mehr hinein, geschweige denn hinauskam. Dieser Frau bauen wir dann statt der Wanne eine bodenebene Dusche mit einem Klappsitz ein und sie kann dann im Anschluss alleine duschen. Die Freude dieser Frau ist unser größter Antrieb und wir erleben ähnliche Beispiele schon jetzt jede Woche. Zudem finde ich es sehr gut, dass es uns fast immer gelingt, alle oder einen Großteil der Kosten über Zuschüsse und Förderungen abzurechnen, d.h. es ist dann nicht eine Frage des Geldes, ob jemand ein altersgerechtes Zuhause hat oder nicht.
Was möchtest Du anderen Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben?
Wir haben in der ersten Phase viel aus Coworking-Spaces gearbeitet und ich habe dort zahlreiche andere Gründer kennengelernt. Viele haben dabei versucht, ihr StartUp alleine zu gründen und eine erste Finanzierung zu bekommen. Wirkliche „Solopreneure“ gibt es aber eher selten und es braucht dazu viele sehr unterschiedliche Skills – ich könnte das z.B. gar nicht, d.h. ich wäre als alleiniger Gründer völlig ungeeignet und bestimmt auch nicht erfolgreich. Ich empfehle daher, sich neben der weiteren Ausarbeitung der Geschäftsidee auch früh und aktiv nach passenden Co-Foundern umzuschauen und sich vorher genau zu überlegen, welche Fähigkeiten diese haben sollten. Bei besser zuhause sind wir mit Leif, Ronald, Joscha und mir insgesamt vier Gründer und jeder bringt seine individuellen Stärken ein.
Lieber Hans, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
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